Radreise entlang der Seidenstraße: Durch Kirgistan und Usbekistan – Teil 1
Radreise Etappe 1: Von Bishkek zum Toktogul
Hilfe, die Fahrädder sind weg!
Mein Fahrrad, Frau Herrmann, steht an der Hauswand der Gaststätte, in deren Außenbereich wir gerade saftige Manti verspeisen. Ein Blick auf meinen Tacho zeigt mir, dass er sich auf annähernd 70°C erwärmt hat. Ich nehme ihn lieber mit in den Schatten, wo es erträgliche 38°C sind. Schließlich haben wir ja auch kurz vor Mittag in Bishkek, Kirgistan.
In Bishkek treiben wir uns schon die beiden letzten Tage herum. Am 10.8.2014 sind wir morgens gegen vier Uhr am Flughafen angekommen, haben unser Gepäck abgeholt und mit Entsetzen festgestellt, dass unsere Fahrräder irgendwo sind, nur nicht hier am Flughafen. Mehr als zwanzig weitere Passagiere der Pegasus Airlines, mit der auch wir geflogen sind, schauen ähnlich müde und dumm aus der Wäsche wie Magda und ich. Auch ihr Gepäck ist nicht mitgekommen. Der Schalter der Fluggesellschaft hat geschlossen, also fahren wir per Taxi ins Nomad’s Home. Diese gemütliche Unterkunft ist einer der beiden Treffpunkte (oder gibt es noch mehr?) für Rad- und Rucksackreisende, die in Bishkek vorbeikommen.
Die Betreiber sprechen gutes englisch und sind bei Fragen und dem Lösen unseres Gepäckproblems hilfsbereit (damit haben sie viel Erfahrung, Pegasus scheint beim Gepäcktransport wenig pünktlich). Sie haben auch den Taxitransfer vom Flughafen aus organisiert. Nach kurzem telefonischen HickHack (Warum haben Sie denn nicht die Vermisstenanzeige am Flughafen ausgefüllt? Unser Schalter ist doch immer geöffnet!) sind wir am kommenden Tag zur Pegasusvertretung in Bishkek gefahren und eine Stunde später kamen auch unsere Räder. Andere Wartende hatten leider weniger Glück.
Zwangspause in Bishkek
Die frühe Ankunft und die erzwungene Wartezeit haben uns zwei schöne Tage im nicht ganz so schönen Bishkek beschert. Die Hauptstadt Kirgistans ist, böse gesagt, staubig, schmutzig und ziemlich zerbröckelt. Und heiß – zumindest im Sommer. Als wir das Nomad’s Home erreichen steht uns die Lust nach einer Stadterkundung und, trotz Schlafentzug, nicht nach dem Nachholen desselben. Wir marschieren also los, transpirieren fröhlich durch die Gegend und sind erst einmal vom Verkehr irritiert. Die Leute hier fahren schnell, aggressiv, auf engem Raum, biegen auch mal aus dritter Reihe rechts ab. Kein Vergnügen für Kirgistananfänger, aber man gewöhnt sich irgendwann an diesen Verkehrsstil. Und das Überleben im Verkehr lohnt sich durchaus. Man entdeckt an den verschiedensten Orten nicht nur… aufregende Gerüche, auch alte, sowjetische Prachtbauten, wie das Museum of Fine Arts oder den Zirkus. Irgendwie haben diese Bauten was, schön sind sie aber nicht. Die Bausubstanz praktisch aller Gebäude schaut auch nunmehr wenig solide aus und hat ihre besten Zeiten hinter sich. Kirgistan gehört zu den ärmsten Länder Zentralasiens und das sieht man. Allerorten entdeckt man Menschen, die Arbeiten nachgehen, wo zumindest mir unklar ist, wie man damit Geld verdient. An nahezu jeder Straßenecke im Bereich der Innenstadt finden wir Getränkeverkäufer, die einem den Durst für wenige Cent löschen können. Überhaupt, wenn die Kirgisen was machen, dann in Massen. Will man in Bishkek Geld umtauschen, hat man die Wahl zwischen locker dreißig Geldwechslern, die sich alle in der gleichen Straße hintereinander angesiedelt haben. Hat man Durst, was bei mir hier ständig der Fall ist, hat man die Auswahl zwischen unzähligen Getränkeverkäufern, die alle mehr oder weniger die gleichen Getränke anbieten. Sucht man eine Tankstelle… du weißt schon.
Endlich geht es los
Ich will den Besuch in Bishkek mal abkürzen: Wirklich sehenswert ist Bishkek nicht. Grau, verfallen und ohne wirkliche Höhepunkte. Dennoch besitzt die sympathische Stadt mit ihrem zentralen und gut besuchten Park einen Charme, den ich nunmehr vermisse und natürlich ist sie ein hervorragender Ausgangspunkt für Trips in die kirgisischen Berge.
Zwei Tage nach unserer Ankunft und vielen Gesprächen mit Gleichgesinnten im Nomad’s Home, sitzen wir also in besagter Gaststätte. Die letzten Kilometer durch Bishkek, welches wir gerade in westlicher Richtung auf der M 39 verlassen, haben wir aus purem Überlebenswillen auf dem Bürgersteig zurückgelegt, werden nun aber auf die Straße wechseln und auf die Rücksicht der Autofahrer hoffen – die haben wir nötig. Die Straße ist ganz schön breit, aber wie viele Spuren sie hat? Das wird spontan durch die sie befahrenen Wagen festgelegt. Markierungen gibt es nicht und so scheint jeder dort zu fahren, wo gerade Platz ist und es ihm Spaß macht. Apropos Spaß, Spaß macht die Straße keinen. Bis zum Abbiegen gen Süden in Richtung der Berge bleibt sie viel befahren und links wie rechts fast stets bebaut. Wer mit dem Rad ebenfalls in Richtung Toktogul unterwegs ist, tut gut daran die M 41 nicht von Anfang an zu fahren, sondern bereits vorher bei Kalininskoye (direkt vor der blauen Tankstelle, 42°50’22.11″N, 74° 3’0.26″E) links in Richtung Chon-Aryk (nicht auf Verkehrsschilder hoffen) abzubiegen. Damit erspart man sich einfach einigen Verkehr.
Man ist übrigens gut beraten sich hier nochmal mit Getränken einzudecken. Zwar wird nach einigen Kilometern rechts nochmal ein kleiner Laden kommen, aber bei kirgisischer Hitze ist ein Nachtanken immer zu empfehlen (s.u.).
Der Berg beginnt
Mit dem Abbiegen beginnt der Anstieg. Der ist allerdings für einige Zeit so milde, dass man noch mit ordentlich Druck fahren kann. Magda sieht das nicht ganz so und zudem leidet sie an dieser Steigung bald unter Wassermangel. Vor ein paar Kilometern haben wir uns zwar sattgetrunken, aber einen sonderlichen Vorrat an Wasser haben wir eigenartigerweise nicht dabei. Was wir haben ist bald ausgetrunken und so schleppt sich Magda mit am Boden schleifender Zunge durch die sengende Sonne und braucht am nächsten Laden erstmal eine Weile Erholung und leert derweil eine ganze Phalanx Trinkflaschen.
Der stete Blick auf die Berge lässt die etwas langweilige, landwirtschaftlich genutzte Landschaft des rechten Auges vergessen. Das linke Auge erblickt immerhin, wie sich das Wasser in mühseliger Arbeit einen Weg durch die Ebene gegraben hat. Vom Wasser ist aktuell freilich kaum mehr etwas zu entdecken. Wir bringen einige Kilometer hinter uns und als wir die Wahl zwischen halb links und rechts haben, fahren wir rechts weiter in Richtung Sosnovka und M 41. Vor Sosnovka kann man sich einen Zeltplatz suchen und den nächsten Tag dann mit dem Erklimmen des Passes starten. Magda und ich liegen kurz hinter dem Ort an einem scheinbar versteckten Platz. Morgens werden wir jedoch von einer Pferdeherde geweckt, die an uns vorbeigetrieben wird. Dann kommen Kühe und wir sichten auch ein paar Menschen. An die große Einsamkeit glauben wir für dieses Fleckehen Erde nicht mehr so recht. Geschlafen haben wir trotzdem gut und ich freue mich schon seit gestern Abend auf die größte Honigmelone meines Lebens. Die Esse ich zwar erst kurz vor dem Erreichen des Passes, aber das werde ich dann beim nächsten Mal erzählen…